Dienstag, 25. Mai 2021

Festungsruine Hohenneuffen | Allgemeines 30. Mai 1737: Statt Freispruch Verlegung Joseph Oppenheimers auf den Hohenasperg

Am 30. Mai 1737 wurde Joseph Süß Oppenheimer, ehemaliger Geheimer Finanzrat des Herzogs Carl Alexander von Württemberg, von der Festung Hohenneuffen auf den Hohenasperg verlegt – die nächste Stufe des antijüdischen Schauprozesses gegen ihn. Hochverrat, Untreue und Kränkung des protestantischen Glaubens gehörten zu den Anklagepunkten. In der Festungsruine Hohenneuffen erinnert heute eine Gedenktafel an den unschuldig Inhaftierten. Deutschlandweit wird in diesem Jahr mit einem großen Jubiläumsprogramm an „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erinnert. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg greifen das Thema auf und machen sich auf Spurensuche in den Monumenten des Landes.

VERLEGUNG VON DER FESTUNG HOHENNEUFFEN

Am 30. Mai 1737 brachte man Joseph Süß Oppenheimer, diffamierend „Jud Süß“ genannt, von der Festung Hohenneuffen fort, wo er nach dem Tod von Herzog Carl Alexander zwei Monate zuvor, am 30. März, inhaftiert worden war. Der ehemalige Hofbankier des Herzogs wurde allerdings nicht freigelassen, sondern auf die Festung Hohenasperg verlegt. Hochverrat, Beraubung der staatlichen Kassen, Bestechlichkeit, Beziehungen mit Christinnen und die Schändung des protestantischen Glaubens – all das und noch Weiteres warf man ihm vor. Die Ereignisse um Joseph Süß Oppenheimer zählen zu den dunklen Kapiteln der württembergischen Geschichte. Das Protokoll vom Verhör in der Festung Hohenneuffen wirft ein Licht auf die Judenfeindlichkeit der Ankläger: „Ob Er nicht gewußt, das vermög der Reichs- und Lands-Constitution kein Jud Rath (Ratgeber des Herzogs) werden könne?“, fragte man ihn. Oppenheimer erwiderte selbstbewusst: „Die Ordnung habe Er nicht gewußt, zudeme habe Er geglaubt, worzu ihne der Fürst erklärt, das dörffe er annehmen.“ Doch der Herzog Carl Alexander lebte nicht mehr und der neue Herzog-Administrator ließ den Landständen freie Hand. Joseph Oppenheimer wurde vom Schützling zum Sündenbock.

 

HOFFAKTOR DES HERZOGS
Josef Süß Oppenheimer, geboren 1698 in Heidelberg, wuchs in einer angesehenen Kaufmannsfamilie auf. Als Finanzier der Kurfürsten von der Pfalz und des Bischofs von Köln kam er zu Wohlstand. 1732 lernte Oppenheimer Carl Alexander, den zukünftigen Herzog von Württemberg, kennen. Der Thronfolger ernannte ihn noch im selben Jahr zu seinem „Hoffaktor“. Seine Aufgaben: Oppenheimer sollte für Carl Alexander Luxuswaren, Kriegsgüter und Kapital bereitstellen – im Gegenzug stand er unter dem besonderen Schutz des künftigen Herzogs. Denn eigentlich war das jüdische Leben in Württemberg seit dem Ende des 15. Jahrhunderts verboten. Juden waren keine normalen Bürger, sondern hatten den Status von „Schutzjuden“, die den ausdrücklichen Schutz des Landesherrn benötigten.

 

REFORMER UND BERATER

Als Carl Alexander 1733 den Thron bestieg, wurde Oppenheimer zum herzoglichen Ratgeber befördert. Mit umfangreichen Reformen wollte er das Herzogtum modernisieren und die knappen Kassen des Herzogs füllen. Mit den neuen Steuern zog sich Oppenheimer mächtige Feinde zu: die Landstände, die Vertretung des württembergischen Patriziats. Die Probleme lagen jedoch tiefer. Herzog Carl Alexander war seit knapp 300 Jahren der erste Katholik, der das streng protestantische Württemberg regierte. Dass ausgerechnet Oppenheimer – ein Jude – ihn beriet, war eine zusätzliche Provokation. Zudem missachtete der Herzog die Tradition. Er holte nicht, wie vertraglich festgelegt, die Zustimmung der Landstände für seine Gesetze ein: Er erließ sie aus eigener Machtfülle. Oppenheimer bemerkte die zunehmende Feindschaft gegen seine Person. Doch aus dem Dienst des Herzogs ausscheiden konnte er nicht. Carl Alexander drohte, dass er ihn in diesem Fall für vogelfrei erklären würde.

 

HAFT UND VERHÖR

Als Herzog Carl Alexander am 12. März 1737 im Residenzschloss Ludwigsburg starb, verlor Oppenheimer plötzlich seinen Schutz. Sofort wurde sein Personal verhaftet, sein Vermögen konfisziert und alle Schriftstücke beschlagnahmt. Am 30. März wurde er unter strenger Bewachung von zwei Offizieren und 60 Soldaten in die Landesfestung auf dem Hohenneuffen gebracht. Dort begann man mit dem Verhör. An den Aufenthalt des unschuldig Inhaftierten erinnert heute eine Gedenktafel in der mächtigen Ruine.

 

DER PROZESS

Zwei Monate später, am 30. Mai, wurde der ehemalige herzogliche Hofbankier auf den Hohenasperg verlegt. Akribisch gingen die Behörden jedem möglichen Verdacht nach. Sie wollten zeigen, dass Oppenheimer tatsächlich der korrupte Ratgeber war, für den sie ihn hielten. Oppenheimers Pflichtverteidiger, „ein ehrlicher Kerl“, der ihm „mit Eifer und Fleiß und Treue gedient“ habe, verfasste eine Verteidigungsschrift für seinen Mandanten – auf über 400 Seiten versuchte er die die Vorwürfe zu entkräften. Vom Gericht wurde das Dokument nicht einmal zur Kenntnis genommen. Denn das Urteil stand von Anfang an fest.

 

ÖFFENTLICHE HINRICHTUNG

Joseph Oppenheimer wurde zum Tod verurteilt, ohne dass Beweise für die Anklagepunkte erbracht worden waren. Im Januar 1738 wurde er in Stuttgart in einem Käfig zur Schau gestellt. Man unterbreitete ihm ein Angebot: Falls er zum Christentum übertreten würde, sollte er begnadigt werden. Dies lehnte Oppenheimer ab. Am 4. Februar wurde er schließlich vor den Toren Stuttgarts hingerichtet. Seine Leiche wurde anschließend in einen rot gestrichenen Käfig gehoben. Zur Warnung ließ man den Leichnam sechs Jahre lang am Hinrichtungsort hängen. Erst 1744 verfügte Herzog Carl Eugen bei seinem Regierungsantritt, den Käfig vom Galgen abzuhängen.

 

„JUD SÜSS“ UND DIE ANTIJÜDISCHE PROPAGANDA

Der Fall Oppenheimer wurde immer wieder aufgegriffen, kommentiert und instrumentalisiert. Die Dichter Wilhelm Hauff und Lion Feuchtwanger setzten sich mit dem historischen Joseph Oppenheimer in ihren Werken „Jud Süß“ (Hauff 1827, Feuchtwanger 1925) auseinander. Im Rahmen von antijüdischer Propaganda wurde der historische Stoff von Veit Harlan 1940 verfilmt. Als Pflichtprogramm für die SS sowie für alle Leiter und Wachmannschaften in den deutschen Vernichtungslagern sollte der Film „Jud Süß“ vor allem dazu dienen, Skrupel und Hemmungen bei der Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen zu beseitigen.

 

1700 JAHRE JÜDISCHES LEBEN IN DEUTSCHLAND

Im Jahr 2021 kann jüdisches Leben in Deutschland auf eine 1700-jährige Geschichte zurückblicken, die im Rahmen eines bundesweiten Themenjahres mit zahlreichen Veranstaltungen beleuchtet werden soll. In einem Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 findet sich die erste Erwähnung von Juden, die im Gebiet des heutigen Deutschlands leben, in der damaligen römischen Stadt Köln. Es gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen. Zahlreiche Monumente in Baden-Württemberg bieten Gelegenheit dazu, sich auf Spurensuche von 1700 Jahren gemeinsamer Geschichte zu begeben.

 

HINWEIS
Die Freiflächen auf dem Hohenneuffen sind Mittwoch bis Sonntag von 9.00 bis 17.00 Uhr für Gäste geöffnet. Der Kiosk bietet in diesen Zeiten Speisen und Getränke „to go“.

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